Künstliche Intelligenz in Lehre und Unterricht: Interview mit Jonas Etter, Dozent für Bildnerisches Gestalten

Künstliche Intelligenz in Lehre und Unterricht: Interview mit Jonas Etter, Dozent für Bildnerisches Gestalten

Künstliche Intelligenz kreiert auf Befehl Texte, Übersetzungen und Bilder: Eine futuristisch anmutende Technologie, die bereits heute verfügbar ist. Welche Impulse kann dies Lehre und Unterricht geben? 

Letzte Woche haben wir im Blog thematisiert, wie die “content creation” mittels künstlicher Intelligenz konkret aussehen kann. Nun sprechen wir mit Dozierenden der PHBern darüber: Welches Potenzial, welche Herausforderungen erkennen sie in dieser Technologie für ihren Fachbereich?

Zum Auftakt interviewen wir Jonas Etter, Dozent für Bildnerisches und Digitales Gestalten am Institut Sekundarstufe I.

Digital Learning Base: Hast du dich mit der Bildererzeugung mittels künstlicher Intelligenz auseinandergesetzt? Was löst dies bei dir aus? 

Jonas Etter: Ich habe die Technologie bereits ausprobiert, z.B. mit Craiyon. 

Natürlich fragt man sich danach: Welche Perspektiven, welche Möglichkeiten bietet sie für mich, für mein Fach? 

Solche Fragen habe ich auch in einem Seminar angesprochen. Dort haben wir ethische Fragen behandelt: Kann künstliche Intelligenz irgendwann Künstler*innen oder Autor*innen ersetzen? Kann künstliche Intelligenz menschliche Identität – Stichwort “Deep Fake” –  so überzeugend fälschen, dass die Fälschung nicht mehr erkennbar ist? 

Bilder generiert mit Midjourney. Vorgabe war: "historical photograph of world war 1 soldiers using smartphones on the battlefield ar 16:9 –testp –upbeta".

Letztlich geht es auch um die Frage der Wertung: Hat etwas, das von der KI generiert wird, „dieselbe Bedeutung“ wie ein menschliches Werk? Ist es ein kreativer Akt oder letztlich nur eine „Neuzusammenstellung“? Klar ist, dass das Konzept von „Bedeutung“ reflektiert werden muss. Bedeutungen sind letztlich zu einem wesentlichen Teil von den Betrachtenden geprägt. Wenn die Bedeutung eines Werks darin besteht, dass es Ausdruck des Menschen ist, hätte KI-Kunst keinen Wert,sie bliebe Imitation. 

Die Frage, ob man „Autorschaft“ ausweiten kann auf tierische oder maschinelle Urheberschaft, ist freilich nicht neu. Aber sie wird nun in der Praxis sichtbar und aktuell: Wenn KI-Produkte anstelle von menschlichen Werken verkauft werden, wenn die KI auf diese Weise menschliche Künstler*innen, Grafiker*innen, Illustrator*innen etc. verdrängt, dann ist das v.a. ein Problem des Markts.

Siehst du ein Potenzial dafür, diese Technologie in der Lehre einzusetzen?

Ich plane sie als Reflexionsanlass einzusetzen. Als rezeptiven Zugang zum Thema Fotografie haben wir unterschiedliche Arten von Fotografie diskutiert. Geplant war, auch durch KI generierte Bilder zu zeigen. Das ist allerdings vorerst daran gescheitert, dass ich keine gefunden habe, bei denen die “fakeness” nicht erkennbar war. 

Spannend ist die Technologie aber sicher als Kreativitätsmethode. Meine Kollegin setzt ähnliche Tools bei der Entwicklung von Projektarbeiten mit Masterstudierenden ein. Die KI kann als Antwort auf die mit einer bestimmten Erwartung gemachte Anfrage unerwartete Bilder liefern. Die Konfrontation mit dem Unvorhergesehenen fordert im besten Fall heraus und öffnet neue Horizonte. Auf dieser Basis können wiederum neue Inputs für die Maschine erdacht werden. Es entsteht ein „Dialog“ mit der virtuellen Maschine als Gegenüber. 

Spannend wäre etwa auch zu beobachten, ob sich mit der Zeit eine Art persönliche „Bubble“ bildet. Ob also die Maschine zunehmend personalisierte Ergebnisse liefert – wie man das erwarten könnte. Dann bliebe kein Anlass mehr, seine eigenen Gewohnheiten, seinen Geschmack in der Konfrontation mit dem "Anderen" zu reflektieren. 

Ein weiterer vielversprechender Bereich könnte auch die Erstellung von Logos oder Schriften sein. Das ist ein Gegenstand unseres Studiums. Es gibt gerade in diesem Bereich ja oft Ähnlichkeiten und grafische Wiedererkennungseffekte, die das Ergebnis wirksamer machen. Damit könnte gespielt werden. 

Bilder generiert mit Midjourney. Vorgabe war: "historical photograph in the style of robert capa, a phalanx of antique roman soldiers crossing the alps with their elephants –-testp –-upbeta".

Ich sehe ein Potenzial darin, die KI-Produkte zum Diskussionsanlass von Bildwirkung zu nehmen. Wenn die Bilder der Maschine „nicht perfekt“ sind, hat dies ja durchaus einen gewissen Reiz: Man kann z.B. Muster zu entdecken versuchen, wenn wiederholt die gleichen Inputs eingegeben werden. Oder wenn Gesichter etwas Fratzenhaftes haben und an Francis Bacons Malerei erinnern, sind sie durchaus ausdrucksstark. 

Für die Zielstufe, also den Zyklus 3, sind solche Analysen aber eher zu anspruchsvoll. 

Siehst du dennoch ein Potenzial für die Verwendung auf der Zielstufe?

Grundsätzlich kann ich mir vorstellen, dass die Technologie schnell ihren (visuellen) Reiz verliert, wenn sie nicht sinnvoll in Aufgaben eingebettet wird. 

Interessant wäre aber sicher ein interdisziplinäres Projekt von Bildnerischem Gestalten und Medien&Informatik, in dem das „System“ bzw. die Technologie gemeinsam analysiert und hinterfragt wird. 

Bilder generiert mit Midjourney. Vorgabe war: "wide shot, historical photograph of the members of the vienna congress eating fondue, –testp –upbeta".

Im BG-Unterricht kann ich mir auch einen Einsatz als Kreativitätsmethode wie bereits erwähnt vorstellen. So etwas kann durchaus seinen Platz haben innerhalb eines begleiteten kreativen Prozesses von Schülerinnen und Schülern. 

Das Bildnerische Gestalten ist eigentlich in einer vorteilhaften Position: Die Didaktik hat sich schon länger weg entwickelt von der Idee, dass den Schülerinnen und Schüler beigebracht werden soll, in erster Linie „ein Werkzeug zu beherrschen“. Im Lehrplan 21 ist reflektiert, dass der Prozess nebst dem Produkt auch wesentlich im Fokus stehen soll. Und es geht sehr stark auch um die Frage, „was Bilder machen“ können. In einem solchen Verständnis des Fachs haben DALL-E und Co. durchaus ihren Platz. Als ein Tool unter anderen.

Aber natürlich ist es schwierig, darüber zu spekulieren, wie die Zukunft in 30 Jahren aussehen wird. 

Herzlichen Dank für deine Zeit.

Links

  • Kann künstliche Intelligenz (bereits heute) die Lehre umkrempeln?: Der Auftakt-Post zur Mini-Serie. Welche KI-unterstützen Dienste stehen bereits jetzt zur Verfügung? Und wie arbeitet man ganz konkret mit ihnen?
  • Crayion: KI-Bildproduktion im Kleinen gibt es bei Craiyon. Die Resultate sind weniger ausgefeilt als bei den "grossen" Programmen. Dafür ist Craiyon kostenlos und ohne Anmeldung beliebig oft nutzbar.
  • Midjourney und Dall-E: Zwei der momentan am weitesten entwickelten Bildgeneratoren können kostenlos getestet werden. Eine Registrierung ist aber zwingend notwendig. (Bei beiden werden nach einer gewissen Anzahl von "Prompts" monatliche Kosten fällig.)

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