8. Dezember 2020

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Flexiblere und sozialere (?!) Videokonferenzen für die Lehre

Flexiblere und sozialere (?!) Videokonferenzen für die Lehre

“Social Videoconferencing”: Ein aktuelles, aber auf den ersten Blick absurdes Schlagwort. Sind nicht alle Videokonferenzen sozial? Doch. Und dennoch sind damit Überlegungen und Werkzeuge angesprochen, die für das Distance Learning wichtig  sind.

Um Videokonferenzen konnte dieses Jahr niemand umhin, ob im privaten Umfeld bei Zoom-Apéros, in der Verwaltung in MS Teams-Sitzungen oder in der Lehre im Zoom-Seminar. (“Zoom-Müdigkeit” -- noch so ein 2020er-Schlagwort.) In Zeiten der ‘sozialen Distanzierung’ sind Videocalls ein wichtiges Instrument, um dennoch persönlichen Kontakt zu halten.

Allerdings sind auch die Grenzen dieser Werkzeuge im ‘Stresstest’ deutlich geworden: Sie wurden entwickelt für Geschäftskonferenzen und -sitzungen. Und dies offenbar in einem Umfeld, in dem der Chef oder die Chefin die Zügel streng in der Hand hält. Genau betrachtet sind Zoom & Co. nämlich hierarchisch und zentralisiert aufgebaut: Ein Host plant und eröffnet die Sitzung. Im besten Fall spricht nur er oder sie. Bestenfalls erteilt (!) man den Teilnehmenden noch Reihum das Wort. Gelegenheit, ohne Gastgeber oder Gastgeberin zu sprechen, gibt es kaum. Und wenn, dann nur in Räumen, die vorab eingerichtet worden sind. Je nach Tool ist sogar die gesamte Sitzung vorbei, sobald der Organisator oder die Organisatorin den Raum verlässt.

Man muss nicht so weit gehen und diese Konferenzform ‘asozial’ nennen. Fest steht jedoch: So straff von oben durchorganisiert dürfte kaum eine Sitzung jenseits des Bildschirms verlaufen. Zumindest keine, in der die Teilnehmenden wirklich etwas beisteuern sollen. Und noch weiter entfernt ist eine solche Struktur, die sich vor allem fürs frontale Deklamieren eignet, von einer zeitgemässen Lehre.

Härtefall Gruppenpuzzle

Nicht zufällig betreffen viele Fragen an die DigiLeB die “Breakout-Räume” in ZOOM: Wie kann man diese nutzen? Und kann man damit bewährte Methoden wie ein Gruppenpuzzle umsetzen? Die Antwort lautet: Im Prinzip ja. Insbesondere seitdem ZOOM die Möglichkeit bietet, dass die Teilnehmenden selbst ihren Breakout-Raum wählen können. Dennoch bleibt es ein Workaround: Ein Unterricht, der Sozialformen flexibel variiert, der den Teilnehmenden überlässt, wie sie sich zusammensetzen und zusammenarbeiten, bleibt schwierig.

Das Schöne aus Sicht der Lehre ist: Sie ist nicht allein mit ihrem Bedürfnis nach mehr Flexibilität. Auch der Eventbereich wünscht sich sozialere Konferenzen: Ein digitales Pendant nicht nur zu Keynotes, sondern auch zu den Diskussionen im Gang und am Apérobuffet. 

Plattformen, die solche informellen Begegnungen auch im digitalen Raum ermöglichen sollen, haben im Covid-Jahr Aufwind. Das Schöne aus Sicht der PHBern ist: Einige der Plattformen haben auch für die Lehre grosses Potenzial. Im Folgenden stellen wir einige davon vor.

Wirklich soziale Videokonferenz-Tools für die Lehre

Screenshot Wonder

Da ist zum Beispiel wonder.me. Wer sich auf der Plattform einloggt, wird zunächst aufgefordert, ein Selfie zu machen. Danach findet man sich nicht in einem Call wieder. Sondern auf einem offenen Feld mit maximal 35 anderen Teilnehmenden -- allesamt repräsentiert durch den mehr oder minder gelungenen Schnappschuss. Der Clou: Per Maus kann man “sich” auf diesem Feld bewegen. Wer nahe genug zu anderen heranrückt, beginnt mit diesen Personen ein Videogespräch. Wer wieder weg will, begibt sich woanders hin. Das ist auch schon alles. Der Admin kann seinerseits alle Personen zugleich adressieren. Oder den Raum ‘beschriften’, etwa mit Diskussionsthemen, damit klar ist, wo man hinmuss, wenn man sich über ein bestimmtes Thema austauschen will. Wonder.me ist sehr flexibel und niederschwellig. Und es kann (gegenwärtig) komplett kostenlos genutzt werden. Ausprobieren kann man es unter diesem Link.

Screenshot gather.town

In gather.town, einem zweiten Tool, bleibt im Prinzip vieles ähnlich: Jede Teilnehmerin und jeder Teilnehmer ist repräsentiert durch einen Avatar, mit dem frei in einem virtuellen Raum herumspaziert werden kann. Wer sich zusammenfindet, kann zusammen sprechen. Der Unterschied liegt aber in der Ästhetik: gather.town setzt ganz auf eine Videospiel-Grafik aus den 90er-Jahren. Navigiert wird videospiel-typisch mit den WASD- oder Pfeiltasten. Trotz einer kurzen Eingewöhnungsphase ist auch gather.town ein gut verständliches Werkzeug. Wer es ausprobieren will, kann dies unter diesem Link tun. Allerdings hat gather.town einen Nachteil gegenüber wonder.me: Wer es mit Gruppen in Grössen, wie in der Lehre an der PHBern üblich sind, nutzen will, muss zahlen. Mit 2$ pro Teilnehmendem und Monat bleiben die Kosten aber moderat.

Screenshot SMI-Tagung auf Discord

Wem eine bildhafte Darstellung weniger wichtig ist, für den oder die kommt auch Discord in Frage. Der optische Fokus liegt hier auf einem ‘klassischen’ Text-Chat. Was Discord gegenüber der Konkurrenz an ‘Wow-Effekt’ vermissen lässt, das macht es wieder wett durch Übersichtlichkeit und Flexibilität: Hosts und Teilnehmende können jederzeit neue -- aber für alle sichtbare -- Chatkanäle erstellen. Und definieren, ob in diesen die Unterhaltung nur mit Text, mit Audio oder Video geführt werden soll. Discord bietet darum wie keine andere Plattform die Möglichkeit, sowohl vorstrukturierte als auch spontan entstehende Gruppen und (thematische) Diskussionsforen zu bilden. Wie gross das Potenzial dahinter ist, hat unter anderem die diesjährige SMI-Tagung gezeigt, die als Barcamp auf Discord durchgeführt worden ist. Ein grosser Vorteil: Discord kann mit allen relevanten Funktionen komplett kostenlos genutzt werden, lediglich eine Registrierung ist für den Host notwendig. Auch Discord lädt also zum Ausprobieren ein.

Fragen?

Lust bekommen, eines der vorgestellten Tools auszuprobieren? Fragen zu den Tools oder zu ihrem Einsatz in der Lehre können gerne hier in den Kommentaren gestellt werden oder per Mail an digileb@phbern.ch. Wir freuen uns auch über Erfahrungsberichte aus der Praxis, die gerne im Forum Hochschullehre gepostet werden können.


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  • Merci für die Zusammenstellung. wonder.me werde ich gleich am Wochenende im privaten Rahmen ausprobieren. Dafür scheint es auch sehr geeignet zu sein :). Danach werde ich es im FS sicher in der Lehre ausprobieren.

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