Das Digitale Didaktische Dreieck reformuliert das klassische Didaktische Dreieck aus einer soziologisch-medientheoretischen Perspektive. Es verknüpft Struktur-, Kultur- und Medienaspekt und dient als Orientierungshilfe für die Gestaltung produktiver Lehr- und Lernumgebungen im virtuellen Raum.

Interaktives Digital Didaktisches Dreieck
Perspektivenwechsel
Das klassische Didaktische Dreieck dient in der Ausbildung von Lehrpersonen als Orientierungshilfe für die Gestaltung produktiver Lehr- und Lernumgebungen. Es fokussiert auf die drei Pole Lehrperson, Lernende und Lerngegenstand und verweist über die verbindenden Kanten auf die kulturelle Dynamik im Lernprozess (Reusser, 2018). Das auf der pädagogisch-psychologischen Unterrichtsforschung basierende Modell hat sich in der Ausbildung als handlungstheoretisch fundierte Sichtweise bewährt. Beim Einsatz digitaler Medien stösst es jedoch an Grenzen, da es primär auf unmittelbare soziale Interaktionen ausgerichtet ist und die mediatisierte didaktische Kommunikation im virtuellen Raum nur unzureichend berücksichtigt.
Deshalb hat die Digital Learning Base (DigiLeB) mit dem Digitalen Didaktischen Dreieck eine komplementäre Perspektive entwickelt. Diese basiert auf einem soziologisch-medientheoretischen Ansatz, der beim Einsatz digitaler Medien den Fokus auf sich verändernde Erwartungsstrukturen und deren Auswirkungen auf die kulturellen Dimensionen des Lernprozesses richtet. Eine solche Perspektive kann dazu beitragen, eine neue, übergreifende Theorie- und Fachsprache zu etablieren, die ein gemeinsames Verständnis und eine verbindliche Orientierung für das digital gestützte Lehren und Lernen ermöglicht.
Anwendung
Das Digitale Didaktische Dreieck kommt im Zusammenspiel mit der Digitalen Didaktischen Orientierungsmatrix zum Einsatz. Gemeinsam bilden sie das Digitale Didaktische Design-Canvas (D3-Canvas).
Ausgehend von den Zielen einer Lerngelegenheit kann mit Hilfe der Orientierungsmatrix ein passendes didaktisches Basisszenario identifiziert werden. Die Matrix differenziert zwischen selbstorganisierten, individualisierten, kollaborativen und informellen Lernszenarien.
Das Digitale Didaktische Dreieck bietet im Anschluss eine zusätzliche Orientierungshilfe zur Ausgestaltung des gewählten Szenarios. Es verweist auf Struktur-, Kultur- und Medienaspekte und formuliert zentrale Reflexionsfragen, die bei der Planung und Umsetzung einer Lerngelegenheit berücksichtigt werden sollten.
Strukturaspekt
Die Pole des Digitalen Didaktischen Dreiecks bilden die Kernstruktur des sozialen Systems des Lehrens und Lernens. Sie beziehen sich auf Erwartungen, die Lehr- und Lernpersonen in sachlicher, raumzeitlicher und sozialer Hinsicht an eine Lerngelegenheit haben. Durch den Einsatz digitaler Medien verändern sich diese Erwartungen häufig. Besonders deutlich zeigt sich dies in Bezug auf Raum und Zeit sowie auf Rollen und deren Verteilung.
Kulturaspekt
Die Kanten des Digitalen Didaktischen Dreiecks stehen für die kulturelle Dynamik im sozialen System des Lehrens und Lernens. Sie spiegeln das didaktische Selbstverständnis von Lehrpersonen und zeigen sich in der Ziel- und Stoffkultur, der Lehr- und Lernkultur sowie der Dialog- und Unterstützungskultur. Wenn sich durch digitale Medien die strukturellen Bedingungen verändern – etwa durch eine raumzeitliche Entkopplung von Lehr- und Lernprozessen –, kann dies unmittelbare Auswirkungen auf diese kulturellen Aspekte haben.
Medienaspekt
Der im Digitalen Didaktischen Dreieck implizit mitgedachte Medienaspekt rückt den Einsatz und die Funktion digitaler Medien bei der Gestaltung produktiver Lerngelegenheiten in den Fokus. In Anlehnung an Petko (2020) lassen sich sechs zentrale Medienfunktionen unterscheiden: Darstellungs-, Organisations-, Austausch- und Kollaborations-, Produktions-, Übungs- und Beurteilungsfunktion. Diese lassen sich den drei Polen und Kanten des reformulierten Didaktischen Dreiecks zuordnen und bieten konkrete Anhaltspunkte für die Auswahl und den gezielten Einsatz geeigneter Medien im digital gestützten Lehren und Lernen.
Pol / Kante | Medienfunktion | Beschreibung |
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Sachdimension (Was?) | Darstellungsfunktion | Die Darstellungsfunktion macht Lerninhalte zugänglich und verständlich. Digitale Medien kombinieren Formate wie Text, Bild, Audio, Video und Interaktivität, um abstrakte Konzepte anschaulich zu visualisieren, Zusammenhänge zu erklären und Bezüge zu anderen Inhalten herzustellen. Lerninhalte werden dadurch nicht nur präsentiert, sondern auch interaktiv und vielfältig erfahrbar. So entsteht die Grundlage für ein nachhaltiges und differenziertes Lernen. |
Raumzeitdimension (Wann? Wo?) | Organisationsfunktion | Die Organisationsfunktion dokumentiert und strukturiert die Rahmenbedingungen des Lernens. Digitale Plattformen und Lernpläne machen Abläufe in Raum und Zeit transparent, stellen Materialien bereit und unterstützen die Koordination von Lernaktivitäten. So entstehen nachvollziehbare Strukturen, die Selbstorganisation und Zusammenarbeit erleichtern. |
Sozialdimension (Mit wem?) | Austausch- und Kollaborationsfunktion | Die Austausch- und Kollaborationsfunktion stärkt die soziale Dimension des Lernens. Digitale Medien eröffnen Räume für den Austausch in Chats, Foren oder Videokonferenzen und ermöglichen die Zusammenarbeit an gemeinsamen Dokumenten. So entstehen soziale Verbundenheit und gemeinsam erarbeitete Wissensbestände, die im virtuellen Raum sichtbar und gestaltbar werden. |
Ziel- und Stoffkultur (Welche? Warum?) | Produktionsfunktion | Die Produktionsfunktion fördert eine aktive Auseinandersetzung mit Lerninhalten. Digitale Medien ermöglichen es, auf produktive und kreative Weise multimediale Artefakte zu gestalten oder Lernprozesse in Portfolios zu dokumentieren. So entstehen individuelle und gemeinschaftliche Produkte, die den Lernprozess sichtbar machen und kreative wie metakognitive Kompetenzen stärken. |
Lehr- und Lernkultur (Wie?) | Übungsfunktion | Die Übungsfunktion unterstützt handlungsorientiertes Lernen mit unmittelbarem Feedback. Digitale Medien dienen als Übungspartner, Tutor oder Experimentierumgebung und ermöglichen Wiederholung, Variation und Simulation komplexer Zusammenhänge. So wird die aktive und kognitive Beteiligung beim Lernen gesteigert und individuelles Üben wirksam gefördert. |
Dialog- und Unterstützungskultur (Womit?) | Beurteilungsfunktion | Die Beurteilungsfunktion integriert Rückmeldungen in den Lernprozess. Digitale Medien bieten vielfältige Möglichkeiten für Feedback durch Lehrpersonen und Peers in verschiedenen Formaten, aber auch durch automatisierte Tests und KI-basierte Tutorensysteme. Auf diese Weise wird Beurteilung zu einem dialogischen, iterativen Instrument der Reflexion, Orientierung und Weiterentwicklung im Lernprozess. |