Digitale Transformation

Digitale Transformation bezeichnet die gesellschaftliche Neugestaltung auf Basis digitaler Medien. Sie betrifft nicht nur die Gesellschaft als Ganzes, sondern auch das Bildungs- und Erziehungssystem, die Hochschulen und Schulen sowie die Lehre und den Unterricht.

Digitale Transformation

Theoretische Perspektive

Die digitale Transformation der Gesellschaft lässt sich aus unterschiedlichen theoretischen Perspektiven beobachten und beschreiben. Die Digital Learning Base (DigiLeB) orientiert sich an der systemtheoretischen Kommunikations- und Medientheorie. Diese geht davon aus, dass sich mit der Einführung eines neuen Leitmediums die Struktur- und Kulturform der Gesellschaft aufgrund der neuen Möglichkeiten der Kommunikation verändert und es dadurch zu einer Neugestaltung der Gesellschaft kommt. Dadurch entsteht auch ein Anpassungsdruck auf Organisationssysteme wie Hochschulen und Schulen sowie auf Interaktionssysteme wie Lehre und Unterricht.

Diese Perspektive interessiert uns, weil sie vor dem Hintergrund der digitalen Transformation und mit Blick auf das Lehren und Lernen die strukturellen Veränderungen in den didaktischen Interaktionen betont und auf die daraus resultierenden Konsequenzen für die Lehr- und Lernkultur verweist. Diese Aspekte bei der Planung und Umsetzung von Lerngelegenheiten zu berücksichtigen, gehört unseres Erachtens zu den zentralen Gelingensbedingungen bei der Entwicklung eines Digitalen Didaktischen Designs.

Medienepochen

Bis einschliesslich der Beschreibung der modernen Gesellschaft ist man von drei Leitmedienwechseln ausgegangen: vom nonverbalen Verhalten zur Mündlichkeit, von der Mündlichkeit zur Schriftlichkeit und von der Schriftlichkeit zum Buchdruck. Ein vierter Leitmedienwechsel wird derzeit unter dem Begriff Computer diskutiert. Jeder dieser Wechsel leitet eine neue Medienepoche ein, die sich durch spezifische Struktur- und Kulturformen auszeichnet. Wichtig ist, dass das Konzept der Medienepochen nicht als Geschichtsschreibung im Sinne eines linearen Kausalprozesses zu verstehen ist. Vielmehr geht es um die Beobachtung und Beschreibung von Bedingungen und Folgen gesellschaftlicher Strukturveränderungen. Durch das Aufzeigen dieser Zusammenhänge kann das Konzept der Medienepochen einen Beitrag zur Geschichtsschreibung leisten.

Leitmedienwechsel

So hat das Aufkommen der Mündlichkeit die tribale Gesellschaft hervorgebracht. Die Einführung der Schriftlichkeit hat die antike Gesellschaft geprägt. Und die Erfindung des Buchdrucks und der elektronischen Medien (Radio, Kino, Fernsehen) stehen für die Herausbildung der modernen Gesellschaft. Mit dem Leitmedium Computer stehen wir auf der Schwelle in eine «Nächste Gesellschaft».

Diese knappe Darstellung sollen nur andeuten, wie lange der durch die Einführung eines neuen Leitmediums ausgelöste evolutionäre Prozess der Herausbildung neuer gesellschaftlicher Struktur- und Kulturformen dauert und wie folgenreich er sein kann. Erinnert sei nur an den letzten Leitmedienwechsel, die Umstellung von der Schriftlichkeit zum Buchdruck, der von den drei grossen Revolutionen der Moderne, der demokratischen, industriellen und pädagogischen Revolution, begleitet wurde.

Computer als Leitmedium

Unter einem Leitmedium verstehen wir ein Medium, das zu einer bestimmten Zeit in einer bestimmten Gesellschaft zur Teilnahme verpflichtet. Die Verweigerung der Teilnahmepflicht kann zum Selbstausschluss aus der Gesellschaft führen.

Beim Leitmedienwechsel vom Buchdruck auf Computer haben wir es mit einer Besonderheit zu tun, die in der bisherigen Menschheitsgeschichte einmalig ist: Einerseits können wir den Computer – wie Mündlichkeit, Schriftlichkeit und Buchdruck – als Verbreitungsmedium auffassen. Andererseits können wir ihn aber auch als quasiautonome Maschine auffassen, die mit ihren Algorithmen aktiv an der Kommunikation und damit auch an didaktischen Interaktionen teilnimmt.

Liegt der Fokus der digitalen Transformation in Hochschulen und Schulen derzeit auf dem Einsatz von Computern als neue Verbreitungsmedien, so wird in naher Zukunft ihr möglicher Einsatz als quasiautonome Lernassistenten an Bedeutung gewinnen.

Digitale Transformation als soziokulturelle Evolution

Wir müssen uns die digitale Transformation als einen zirkulären Prozess vorstellen, der keiner kausalen Logik folgt. Wir können die Transformation daher nicht planen, steuern oder kontrollieren. Aber wir können an Hochschulen und Schulen ein Umfeld schaffen, in dem durch einen soziokulturellen Evolutionsprozess der Variation von Lerngelegenheiten, der Selektion von Best Practice und der Restabilisierung veränderter Erwartungsstrukturen neue Formen des Lehrens und Lernens entstehen können.

Für die Lehre und den Unterricht bedeutet dies, dass Lehrende gemeinsam mit Lernenden technologiegestützte didaktische Szenarien erkunden und Erfahrungen sammeln sollten. Dabei gibt es kein Richtig oder Falsch. Entscheidend ist das gemeinsame Lernen aus funktionierenden Lösungen und gescheiterten Versuchen.

Quellen

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